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Erste Ergebnisse

Information für Eltern und ​Lehrkräfte
Danksagung

Unser herzlicher Dank gilt allen an unserer Studie teilnehmenden Kindern sowie deren Eltern und insbesondere auch den Schulen und Lehrkräften. Ihre Offenheit für unsere Forschung und das außerordentliche Entgegenkommen haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Zusam­men­arbeit mit den teilnehmenden Kindern eine große Freude war.
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                                                                                                                                                                                      Bildquelle: www.pexels.com
Hintergrund unserer Studie

Zum Thema (Un-)Gerechtigkeit gibt es noch viele offene Fragen. Mit unserer Studie sind wir zusammen mit den Kindern, Eltern und Lehrkräften auf die Suche nach Antworten gegangen. Damit sind wir gemeinsam zu Pionierinnen und Pionieren in diesem Bereich der psychologischen Forschung geworden. Schon Kinder unter zwei Jahren reagieren überrascht, wenn eine Verteilung ohne Grund ungleich ist oder eine fleißige Person das Gleiche bekommt wie eine faule Person. Solche Studienergebnisse zeigen, dass ein grund­legendes Verständnis für Gerechtig­keit schon früh vorhanden ist. Die Forschung an älteren Kindern, Jugendlichen und Erwach­senen hat aber auch gezeigt, dass sich Menschen darin unterscheiden, wie wichtig ihnen Ge­rech­tig­keit überhaupt ist und wie sehr es ihnen etwas ausmacht, wenn sie Ungerech­tig­keit erleben oder ver­ursachen. Man spricht dann davon, dass Menschen unterschied­lich ungerechtigkeitssensibel sind. Es hat sich ge­zeigt, dass diese Unterschiede zwischen Menschen stabil sind, also über längere Dauer und in vielfältigen Situationen bestehen bleiben. Deswegen bezeichnet man Un­ge­rechtigkeitssensibilität auch als Persön­lich­keits­eigen­schaft. Bislang ist aber nicht bekannt, ob sich auch jüngere Kinder schon in der Ausprägung der Eigenschaft voneinander unterscheiden, denn viele Persön­lich­keits­eigenschaften prä­gen sich erst im Verlauf der Entwicklung aus. Mit unserer Studie wollten wir mehr zur Wahrnehmung von Ungerechtigkeit im Kindesalter herausfinden. Wir woll­ten wissen: Unter­schei­den sich bereits Kinder zwischen 6 und 10 Jahren in ihrer Wahrnehmung von Ungerech­tig­keit und in den Reaktionen auf sie? Woher kommen diese Unterschiede und können sie schon im Kindes­alter zuverlässig gemessen werden? Wie hängen sie mit pro- und antisozialem Ver­halten zusammen? So möchten wir mehr über die Entwicklung der Persönlichkeitseigenschaft Ungerechtigkeitssensibilität im Kindesalter erfahren.

Stichprobe

Für die Studie wurden 1331 Kinder in der ersten bis vierten Klasse befragt. Es nahmen Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren teil, das Durchschnitts­alter lag bei 8,05 Jahren. 51,3 % der TeilnehmerInnen waren weiblich, 47,4 % männlich und 1,3% gaben „anderes“ an. 841 Eltern füllten den Elternfragebogen in der Papier- oder der Onlineversion aus. Der Lehrerfragebogen wurde zu 1108 Kindern online oder als Papierversion beantwortet.
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                                                                                                                                         Bildquelle: www.shutterstock.com
Die Ergebnisse

1. Unter­schei­den sich schon Kinder zwischen 6 und 10 Jahren in der Wahrnehmung von Ungerech­tig­keit?
Wir haben durch unsere Befragungen herausgefunden, dass sich in der Tat schon 6- bis 10-Jährige in der Ungerechtig­keits­sensibilität unterscheiden können: Kinder mit einer hohen Ausprägung der Opfersensibilität haben häufig das Gefühl, unge­recht behan­delt zu werden und reagieren dann meist ärgerlich und/oder traurig und müssen lange über diese Erlebnisse nach­den­ken. Kinder mit niedriger Opfersensibilität fühlen sich hin­ge­gen nicht so häufig be­nach­tei­ligt, denken nicht viel über solche Erlebnisse nach und füh­len sich nicht besonders schlecht des­we­gen. Kinder mit einer hohen Beobachter­sensibilität sind sehr sen­si­bel dafür, dass andere unge­recht behandelt werden. Wenn sie dies beobachten, reagier­en sie em­pört, da ihnen die beob­ach­tete Ungerechtigkeit zu schaffen macht. Kinder mit niedriger Beob­ach­ter­sensibilität nehmen Unge­rech­tigkeit zum Nachteil anderer dagegen eher selten wahr und reagieren nicht so empört. Kinder mit einer hohen Tätersensibilität fürchten, andere ungerecht zu behandeln und fühlen sich schul­dig, wenn es ihnen doch einmal passiert. Kinder mit einer niedrigen Täter­sen­si­bi­li­tät haben da­ge­gen nicht so oft das Gefühl, andere ungerecht zu behandeln und wenn, dann finden sie es nicht so schlimm. Dabei hängen Beobachter- und Tätersensibilität stärker miteinander zusammen als Opfersensibilität mit den beiden anderen Perspektiven. Das heißt, beobachtersensible Kinder sind häufig auch tätersensibel und umgekehrt, während opfersensible Kinder nicht unbedingt hohe Ausprägungen auf den beiden anderen Skalen zeigen. Das Wissen, dass sich schon Kinder in ihrem Empfinden für Ungerechtigkeiten unterscheiden, ist für uns sehr wertvoll: Denn nun können wir uns weiter damit beschäftigen, wie sich Unge­rech­tigkeitssensibilität entwickelt, wovon dies abhängt und welche Einflüsse sie hat. Dies geht allerdings nur dann, wenn es uns gelingt, Ungerech­tig­keitssensibilität in diesem Alter auch zuverlässig zu messen.
2. Kann Ungerechtigkeitssensibilität schon im Kindesalter gemessen werden?
Häufig ist es schwer, jüngere Kinder zu ihrem Erleben und Verhalten zu befragen, denn oft sind sie sich ihres Verhaltens nicht bewusst. Es ist schwer für sie, ihr inneres Erleben in Worte zu fassen oder alle Fragen dazu zu verstehen. Bei unseren Befragungen haben wir deswegen ver­schie­de­ne Strategien verfolgt: Wir haben den Kindern einen sehr einfach formulierten Fragebogen vorge­le­sen und sie nach ihrer eigenen Einschätz­ung gefragt. Außerdem haben wir auch die Eltern zu der Ungerechtigkeits­sen­si­bi­lität Ihrer Kinder befragt. Wir können sagen, dass uns deren Erfassung auf beiden Wegen gut gelungen ist: Die gefundenen Muster ähnelten denen im Jugend- und Erwach­se­nen­alter. Zwischen den Einschätzun­gen der Eltern und denen der Kinder gab es kleine, aber bedeut­same Zusammenhänge, die mit zunehmendem Alter der Kinder deutlicher wurden. Dies stellt einen tollen Befund dar, da zwischen Selbst- und Fremdein­schätz­ungen nicht selten grö­ße­re Unterschiede bestehen, eine Überein­stimm­ung aber die Gültigkeit der Selbsteinschätzungen unterstreicht.  Dies zeigt, dass schon Kinder in diesem Altersbereich gut zu ihrer Ungerechtigkeitssensibilität befragt werden können, diese Angaben aber sinnvoll durch Fremdberichte ergänzt werden.
3. Woher kommen Unterschiede in der Ungerechtigkeitssensibilität?
Bislang ist nur wenig darüber bekannt, woher Unterschiede in der Ungerechtigkeits­sensibilität rühren. Eine unserer Vermutungen war, dass diese als Folge des unter­schiedlich häufigen Erlebens ungerechter Erfah­r­un­gen in der Schule oder in der Familie auftreten. Tatsächlich fanden wir solche Zusammenhänge vereinzelt: so zeigte sich, dass höhere Täter- und Beobachtersensibilität mit einem geringeren subjektiven Erleben von ungerechten Ereignissen in der Schule und der Familie einhergehen. Das bedeutet, dass täter- und beobachtersensible Kinder weniger das Gefühl haben, zuhause oder in der Schule benachteiligt zu werden. Ein wichtiger Faktor scheint auch die Ungerechtigkeits­sen­si­bi­li­tät der Eltern zu sein: Gemäß des Sprichworts Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, waren die von den Eltern einge­schätzten Ausprägungen der Kinder in den zuvor beschrieben­en Perspektiven der Ungerechtigkeitssensibilität denen ihrer Eltern sehr ähnlich. Es gilt scheinbar, was be­reits für allgemeine Wertvorstellungen bestätigt wurde: Kinder orien­tie­ren sich hin­sicht­­­lich ihrer Reaktionen auf Ungerechtigkeit stark an ihren Eltern. Es ist zudem zu vermu­ten, dass Eltern Reaktionen und Verhalten ihrer Kinder in un­ge­rechten Situation­en insbesondere dann fördern, wenn es ihren eigenen Werten entspricht.
4. Wie wirken sich Unterschiede in der Ungerechtigkeitssensibilität auf Verhalten und Erleben von Kindern aus?
Neben Ungerechtigkeitssensibilität haben wir auch Informationen über andere Verhaltensweisen der Kinder erfasst. Dabei stießen wir auf Zusam­men­hänge, die bereits aus der Forschung mit Jugendlichen und Erwachsenen bekannt sind. Es ist erfreulich, diese Zu­sam­men­­hänge nun auch bei den jüngeren Kindern zu beobachten, da dies ein weiterer wichtiger Hin­weis darauf ist, dass Ungerechtigkeitssensibilität schon bei diesen zu­ver­lässig gemessen werden kann. So hat sich gezeigt, dass Kinder, die besonders sensibel da­rauf reagieren, selbst Ungerechtigkeit zu verursachen oder diese zu beobach­ten, häufig auch verstärkt prosoziales Verhalten (z.B. die Bereitschaft zu teilen und zu helfen) zei­gen. Kinder, die sich häufig als Opfer von Ungerechtigkeit fühlen, zeigen hingegen weniger prosoziales Verhalten. Unabhängig von der Perspektive weisen ungerechtigkeitssensible Kinder hohe sozial-emotionale Kompetenzen auf. Sie können sich also gut in andere einfühlen oder diese verstehen. Kinder, die sich häufig selbst ungerecht behandelt fühlen, also hoch opfer­sen­sibel sind, neigen jedoch eher zu aggressivem Verhalten. Wie auch in älteren Stichproben zeigte sich, dass Opfersensibilität positiv mit relationaler Gewalt (z.B. lästern) und verbaler Gewalt (z.B. beleidigen) zusammenhängt, sowie mit dem Gesamtlevel Aggression. Vermutlich wollen sich opfersensible Kinder gegen wahr­ge­nom­mene Ungerech­tig­keit verteidigen oder dieser vorbeugen. Es zeigen sich auch deutliche Zusammenhänge zu einem verminderten Aggressionsniveau bei tätersensiblen Kindern. Diese weisen sowohl signifikant geringere physische, relationale und verbale Aggression auf und sind auch im Gesamtlevel dieser drei Aggressionsarten signifikant reduziert. Wir hatten außerdem die Lehrpersonen gebeten, die Kinder in Grammatik, Konzentration, Merkfähigkeit, Lesen, Rechtschreibung, Rechenfertigkeiten und im logischem Denken auf einer Skala von 1 bis 6 entsprechend der Schulnoten einzustufen. Die Skala kann als Indikator für die kognitive und akademische Leistungsfähigkeit des Kindes herangezogen werden. Es zeigte sich, das beobachter- und tätersensible Kinder signifikant besser über alle Indikatoren der kognitiven Leistungsfähigkeit hinweg einschätzt wurden als Kinder mit geringer Ausprägung auf diesen Perspektiven.

Fazit und Ausblick
 
Die Ergebnisse der vorliegenden Erhebung der JUST-Studie lassen erste Rückschlüsse zur Messbarkeit und Entwicklung der Ungerechtigkeitssensibilität im mittleren Kindesalter zu. Da es sich nur um querschnittliche Korrelationen handelt, können noch keine Ursache-Wirkungs-Aussagen formuliert werden. Die Korrelationen zeigen aber, dass Beobachter- und Tätersensibilität mit einer fortgeschrittenen sozial-emotionalen und sozial-kognitiven Entwicklung zusammenzuhängen scheint. Kinder, denen Gerechtigkeit für ande­re wichtig ist, scheinen sich besser in andere hineinversetzten und ihre eigenen mentalen Zustände und Verhaltensweisen besser regulieren zu können. Auch die kognitive Leistungs­fähig­keit scheint stärker ausgeprägt. Möglicherweise kommt Beobachter- und Tätersensi­bi­lität eine „Schutzfunktion“ in schwierigen sozialen Situationen zu. Betrachtet man die An­ga­ben der Eltern, finden sich hier jedoch auch Hinweise auf positive Zusammenhänge zwisch­en Opfersensibilität und verschiedenen sozialen Kompetenzen.  Dies könnte ein Hin­weis darauf sein, dass opfersensible Kinder ebenfalls über gute Fertigkeiten verfügen, sich in andere hineinzuversetzen und auch aus diesem Grund feinfühlig auf Verstöße gegen gerechtigkeits­bezogene Normen reagieren. Daher ist es wichtig, Opfersensibilität nicht ausschließlich negativ zu betrachten, zumal sie Kindern auch dabei helfen kann, sich dagegen zu schützen, von anderen ausgenutzt zu werden. Auch dies ist im Schulkontext und beim Aufbau langfristiger, stabiler Freundschaftsbeziehungen von Bedeutung.                                                                                                                     

Damit wir in der Lage sind, Zusammenhänge nicht nur zu beschreiben, sondern erklärende und vorhersagende Aussagen zur Entstehung bzw. Entwicklung von Ungerechtigkeitssensibilität und ihren verhaltensrelevanten Aspekten tätigen zu können, müssen wir uns Entwicklungsverläufe über die Zeit ansehen. Daher wird die JUST-Studie ab Mai 2019 mit der zweiten Erhebungswelle fortgesetzt.
Wir freuen uns auf eine erneute tolle Zusammenarbeit mit den an der JUST-Studie teilnehmenden Schulen, LehrerInnen und natürlich den Kindern!
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Bildquelle: www.pixabay.com

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